Pressemitteilung des NABU Wedemark 14.03.23 - zum geplanten Windpark im Fuhrberger Feld - zum Rücktritt aus dem Klimabeirat

Rücktritt aus dem Klimabeirat

Zwei NABU-Mitglieder haben mit sofortiger Wirkung ihren Sitz im Klimabeirat der Gemeinde Wedemark aufgegeben. Ursula Schwertmann, Vorsitzende des NABU Wedemark und Corinna Cieslik-Bischof ziehen sich aus der Mitarbeit zurück, weil sie die mehrheitliche Unterstützung des Windparks durch den Klimabeirat nicht mittragen.
Der NABU Wedemark ist nicht gegen die Nutzung von Windkraft. Die Frage ist das „wo“ und „wie viele“. Wir hatten die Vorstellung, dass der Klimabeirat bei der Suche nach geeigneten Standorten von Windenergiegebieten unterstützt und Enercity als unser Wasserversorger mit Bebauung im Wasserschutzgebiet sensibel umgehen wird. Die Errichtung dieses Windparks in einem der bisher störungsärmsten Bereiche der Wedemark, das zu Recht als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen ist, können wir jedoch nicht unterstützen. Wir werden die uns wichtigen klimarelevanten Themen daher allein weiter bearbeiten.
Klimaschutz ist weltweit nicht unser einziges großes Problem. Die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen ist unser zweites großes Problem, d.h. die Erhaltung von Artenvielfalt und Lebensräumen. In der noch immer land- und forstwirtschaftlich geprägten Wedemark ist das Thema der klima- und naturverträglichen Flächennutzung besonders wichtig, was sich aber im Klimabeirat nicht widerspiegelt und was wir von Anfang an bedauert haben.
Der NABU Wedemark wird in seiner Auffassung bestätigt durch den NABU Landesvorsitzenden Holger Buschmann (Pressemitteilung des NABU Landesverbandes 33/23 vom 10.03.23). Die Änderung des Naturschutzgesetzes kann nicht als Freibrief genutzt werden, nicht mehr nach naturschutzverträglichen Lösungen suchen zu müssen.
Als Anlage senden wir Ihnen unsere Stellungnahme, die mit einigen NABU-Mitgliedern kurzfristig erarbeitet wurde. Sie wurde dem Bürgermeister gestern zusammen mit dem Schreiben zum Rücktritt aus dem Klimabeirat übergeben.


Stellungnahme des NABU Wedemark zum geplanten Windpark von enercity im Fuhrberger Feld

1. Neben dem Klimawandel haben wir derzeit auch weltweit einen dramatischen Rückgang der Artenvielfalt und von Lebensräumen. Daher muss beim schnellen Ausbau von erneuerbaren Energien eine gute Planung vorausgehen, die die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen berücksichtigt. Die Enttabuisierung der Nutzung von LSG, Waldgebieten und Wasserschutzgebieten kann nicht bedeuten, dass man ohne sorgfältige Abwägung solche Gebiete bebauen kann ohne nach naturverträglicheren Lösungen zu suchen. Zu Recht weist der NABU Landesverband Niedersachsen in seiner Stellungnahme vom 10.3.23 darauf hin, dass wir gesunde Ökosysteme und ihre CO2-Speicherung brauchen.

2. Natürlich soll auch die Gemeinde Wedemark ihren Beitrag zur Energiewende beitragen können. Das sollte bei einer Fläche von rund 170 km2 auch möglich sein. Investoren suchen verständlicherweise nach Gebieten, die weit entfernt von Bebauung sind und werden jetzt durch die Änderungen des Naturschutzgesetzes bestärkt. Die Gemeinde muss aber auch Faktoren wie die Erhaltung vielfältiger Landschafts- und Erholungsräume im Blick haben und bei der so wichtigen und großräumigen Planung wie Windenergieanlagen nach Bereichen suchen, die bereits vorbelastet sind, z.B. entlang der A 7 (Energieallee A7) oder im Bereich der inzwischen entstandenen Gewerbegebiete.

3. Der NABU Wedemark bedauert, dass die Chance, nach geeigneten naturverträglichen Standorten für Windenergieanlagen zu suchen, verpasst wurde. Das wäre eine gute Aufgabe für den Klimabeirat gewesen. Stattdessen muss festgestellt werden, dass die Bereiche offenbar seit |ahren zementiert wurden und der Klimabeirat sie nicht hinterfragen soll, sondern allenfalls ,,Hinweise" geben soll.

4. Bei dem geplanten Windparkgebiet soll ein bisher störungsarmer Bereich bebaut werden ohne große Straßen, Hochspannungsleitungen und fast keiner Bebauung. Dieses Gebiet geht weit über die Wedemark hinaus und ist einer der wenigen sogenannten,,unzerschnittenen Räume" (Größe ca. 100 qkm) in ganz Niedersachsen, deren Erhaltung das Bundesamt für Naturschutzvor allem für eine unverlärmte Naherholung empfohlen hat. Solche Gebiete sind darüber hinaus besonders wichtig für den Austausch von Arten und als Wanderkorridor Bisher wähnte der NABU das Gebiet gut geschützt: Landschaftsschutzgebiet, Wasserschutzgebiet, der Forst Rundshorn als größter Waldbereich im Norden der Region Hannover, teilweise historische alte Waldstandorte, die Wietze als wichtiges Biotopvernetzungselement, ein wichtiger Erholungsraum über die Gemeinde hinaus. Diese Wertigkeit bleibt auch durch die Gesetzesänderungen der Bundesregierung bestehen. Als örtlicher Naturschutzverband mit rund 1000 Mitgliedern kann eine solche Planung nicht ohne Protest hingenommen werden.

5. Vor allem das Offenland beidseitig der Wietze hat sich in den vergangenen ]ahrzehnten stark verändert. Durch mehr als 100 Jahre Wasserentnahmen, die Wietzebegradigung und landwirtschaftliche Entwässerungsmaßnahmen sind alte Bäume und Hecken verschwunden und das ehemalige Feuchtgrünland ist heute weitestgehend Acker. Die Tierwelt hat sich darauf eingestellt: wo es früher den Brachvogel und andere Feuchtwiesenarten gab, dominieren heute Vögel der Offenlandschaften: Greifvögel wie Rot- und Schwarzmilan, Rohrweihe, Wespenbussard, Baumfalke, an der Wietze wurden schon Fischadler, Seeadler und Schwarzstorch gesichtet, außerdem die immer selteneren Rebhühner und Wachteln. Aktuelle Vogel- und Fledermauskartierungen gibt es nicht, weil das bisher nicht nötig war. Eine faunistische Erhebung ist daher unbedingt erforderlich.

Die nährstoffarmen Böden sind für eine Ackernutzung nicht optimal und zum Teil brachgefallen. Genau das bietet aber ein Entwicklungspotenzial ftir Maßnahmen der Biotopvernetzung und Biodiversität die wir nutzen sollten, auch für Ausgleichsmaß-nahmen. Die im Norden angrenzenden Naturschutzgebiete und das FFH-Gebiet “Hellern" gehören zum Landkreis Celle, sind aber natürlich eng mit dem Lebensraum verbunden, was weitere Möglichkeiten bietet.

6. Auch die Waldbereiche sind nicht “nur wertlose Kiefern". Hier entwickelten und entwickeln sich Altbäume (nicht nur Kiefern, sondern auch Eiche), die als Lebensraum leider immer seltener werden. Schwarzspechte brauchen sie zum Bau ihrer Höhlen. Sie mussten bereits auf alte Holz-Strommasten ausweichen, die man daher auf Empfehlung des NABU erhalten hat. Als Nachfolger der Schwarzspechte wurden sie z.B. vom Raufußkauz* für die Brut genutzt und - wenn die Höhlen am Ende auch nach oben ausgefault sind, auch als Quartier für den Abendsegler, eine Fledermausart. Auch der Buntspecht braucht alte Bäume, um seine Höhle zu zimmern. Als Nachfolger hat man im Forst Rundshorn z. B. den Sperlingskauz festgestellt, der im Forst Rundshorn nicht nur in Fichten nistet, sondern dessen Vorkommen dort in Kiefern am größten ist. Neben dem Abendsegler ist auch das Braune Langohr in den Waldbereichen verbreitet, eine typische Waldfledermaus. Der NABU betreut im Forst Rundshorn 3 Fledermauswinterquartiere. Die Zahlen der darin überwinternden Tiere stiegen in den letzten Jahren an. Vor allem das Braune Langohr, das nur kurze Distanzen zwischen Winterquartier und Lebensraum im Sommer zurücklegt, wurde angetroffen, was ein Hinweis auf die Nutzung des Fuhrberger Feldes als Jagdhabitat durch diese Art ist. Windenergieanlagen in Waldstandorten bergen für Fledermäuse neben dem Tötungsrisiko auch baubedingte Habitatveränderungen, da Lebensräume verloren gehen und Gebiete gemieden werden.

7. Noch sind die Rahmenbedingungen für den Ausbau der Erneuerbaren nicht abschließend geregelt. Vom Land liegen jetzt erste Hinweise für das Vorgehen vor (Zielvorgaben für die Flächen in den Landkreisen), die Region Hannover ist auch noch in der Abstimmung. Allein der von Enercity geplante Bereich in der Wedemark würde geschätzt mehr als 6 % der Gemeindefläche einnehmen. Das ist mehr als doppelt so viel wie das 2,5 %-Ziel der Region, das wir im übrigen für völlig überambitioniert halten.

8. Der NABU Wedemark Iehnt aus diesen Gründen den geplanten Windpark ab und fordert eine naturverträgliche Suche nach geeigneten Standorten für Windenergieanlagen in der Wedemark.

*Ludwig Uphues hat im Forst Rundshorn (auch im jetzt vorgesehenen Bereich für ,,Wind im Wald") 30 Jahre lang ein Raufußkauzprojekt betreut, bei dem 400 Nistkästen aufgehängt und bis 2004 regelmäßig kontrolliert wurden. Dabei hat man festgestellt, dass der Kauz nicht 2mal in den gleichen Kasten geht, vermutlich zum Schutz vor Prädatoren wie den Baummardern. Es ist nicht bekannt, wie es um die Population heute steht.
 
Wedemark 13.03.2023
Ursula Schwertmann, Vorsitzende NABU Wedemark 

die Stellungnahme als pdf-Datei (2,3 MB)